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Physikalisches Kolloquium
QuCoLiMa Talks
Kolloquium der Theor. Physik
Gruppenseminar der Theorie 1
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Am 8. April 1982 machte der israelische Wissenschaftler Dan Shechtman eine Entdeckung, die eines der grundlegenden Prinzipien der Kristallographie infrage stellte. Bei der Untersuchung einer schnell abgekühlten Aluminium-Mangan-Legierung mit dem Elektronenmikroskop erhielt er Beugungsbilder, die 10-zählige Symmetrie aufwiesen. Dies widersprach der als kristallographische Restriktion bekannten Grundannahme, dass kristalline Festkörper nur 1-, 2-, 3-, 4- oder 6-zählige Drehachsen besitzen können. Jegliche Versuche, seine Entdeckung als bloßes Artefakt - wie etwa durch Zwillingsbildung im Kristall beim schnellen Kühlprozess - zu erklären, scheiterten jedoch. So führte sie nicht nur zu einer neuen Definition des Kristallbegriffes, sondern eröffnete darüber hinaus ein neues Gebiet der Kristallographie, das sich mit diesen neu entdeckten Kristallen mit ”verbotener” Symmetrie, den sogenannten Quasikristallen, beschäftigt. Für seine Entdeckung erhielt Dan Shechtman den Nobelpreis für Chemie 2011.
Seit 1982 wurden zahlreiche weitere Materialien entdeckt, die ebenfalls eine quasikristalline Phase besitzen. Auch deren Eigenschaften wurden umfassend untersucht. So erwiesen sich intermetallische Quasikristalle beispielsweise als besonders hart und spröde. Zudem besitzen sie ungewöhnliche thermische und elektronische Transporteigenschaften und haben eine geringe Oberflächenenergie, was sie besonders unempfindlich gegenüber Korrosion und Adhesion macht. Die Eigenschaften kristalliner Festkörper werden häufig nicht nur durch ihre Idealstruktur, sondern auch durch die im Realkristall auftretenden Defekte bestimmt.
Eine wichtige Klasse solcher Kristallbaufehler sind sogenannte Dislokationen. Sie beeinflussen beispielsweise die plastische Verformbarkeit eines Materials und spielen eine wesentliche Rolle beim Schmelzen zweidimensionaler periodischer Kristalle. Auch in Quasikristallen können Dislokationen auftreten. Dazu wurden bereits wenige Monate nach dem Bekanntwerden der ikosaedrischen Phase die ersten theoretischen Betrachtungen von Levine et al. und die ersten experimentellen Beobachtungen durch Hiraga und Hirabayashi 1987 veröffentlicht. Aufgrund der fehlenden Translationssymmetrie ergeben sich im Vergleich zu periodischen Kristallen jedoch einige Besonderheiten.
Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind die Auswirkungen von Schraubendislokationen auf die Struktur dreidimensionaler Quasikristalle. Dabei handelt es sich um eine besondere Art von Dislokationen, die in periodischen Kristallen zu schraubenförmigem Wachstum führen können. In Kapitel 2 werden zunächst einige grundlegende Begriffe und Konzepte eingeführt, die bei der Behandlung von Dislokationen in Quasikristallen von Bedeutung sind. Kapitel 3 stellt den Hauptteil der Arbeit dar und beinhaltet die Betrachtungen zum Thema Schraubendislokationen in dreidimensionalen Quasikristallen. Dabei wird zunächst ein einfaches Modellsystem quasiperiodisch gestapelter Schichten mit Schraubendislokation und dessen Besonderheiten gegenüber dem Fall periodisch angeordneter Schichten behandelt, bevor anhand einiger Beispiele genauer auf die Auswirkungen von Schraubendislokationen auf die Struktur ikosaedrischer Quasikristalle eingegangen wird. Für die Untersuchungen werden auch graphische Darstellungen von Kristallschnitten herangezogen. Kapitel 4 beinhaltet abschließend eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse und soll zudem auf mögliche weiterführende Studien hinweisen. Zur Erstellung der in dieser Arbeit enthaltenen Abbildungen wurde, sofern keine andere Quelle angegeben, das Computeralgebrasystem SageMath (Version 7.4) oder GNU Octave (Version 4.0.0) verwendet.